Zum Hauptinhalt springen

Bömighausen wird 750 Jahre

Die Ersterwähnung ihres Dorfes vor 750 Jahren feierten die Bömighäuser am Samstag. Zunächst zogen die Gäste durchs farbig illuminierte Dorf. Im Dorfgemeinschaftshaus folgte ein „etwas anderer Kommersabend". Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke überreichte als Höhepunkt die von Innenminister Beuth verliehene Freiherr-vom-Stein-Plakette an die Gemeinde Willingen. Bürgermeister Thomas Trachte reichte sie gleich weiter an die Ortsvorsteherin Wilma Saure.

Zug durchs bunt illuminierte Dorf

Stimmungsvolle 750-Jahr-Feier: Bömighäuser rücken ihre Heimat bei einem Rundgang ins schönste Licht

BÖMIGHAUSEN.

Von Dr. Karl Schilling

Haben nix zu essen! Wir brauchen auch mal was", ruft der Hühnerdieb alias Hermann Schulze und läuft mit seiner Beute im Sack an Nachtwächter „Hermanicus" vorbei. Hermann Dominick hatte die Teilnehmer des Dorfrundgangs ja gewarnt: Allerlei „Gesindel" treibe sich in den Straßen herum. Und das ausgerechnet an dem Samstagabend, an dem die Bömighäuser ihr stolzes Jubiläum feierten. Vor 750 Jahren wurde ihr Dorf das erste Mal auf einer Urkunde erwähnt am 22. November 1266.
Das Datum im Winter stellte die Einwohner vor eine besondere Herausforderung   –und die hätten sie „kreativ und fantasievoll" gelöst, befand ein beeindruckter Bürgermeister Thomas Trachte.
Bei Einbruch der Dunkelheit starteten die Gäste zu einem einzigartigen Rundgang.
Der Weg führte vorbei an blau, gelb und rot angestrahlten Gebäuden und Bäumen, an dem klaren Abend kamen die Farben gut zur Geltung. An einzelnen Stationen an der alten Schule, dem Hof Behle-Schalk, am Dorfplatz mit der ehemaligen Gefrieranlage und am Feuerwehrhaus und dem heute von der Dorfjugend genutzten Wiegehäuschen berichtete „Hermanicus" spannend über die Vergangenheit –über die ältesten Häuser, die ersten Dorfrichter und Bürgermeister, über die Entwicklung der Einwohnerzahlen.

So habe es 1602 in 16 Häusern nur „96 Seelen" im Dorf gegeben, 1770 schon 105 Einwohner in 17 Häusern, und heute seien es 253 Einwohner plus etwa 70 mit Zweitwohnsitz.
Dann berichtete er über die Brunnen und Backhäuser, den Nebenerwerb der Landwirte in Handwerksberufen, über die Geschichte der Schule, über den Bau der Kapelle 1972 oder über Brände im Dorf.
Kinder trugen 14 hölzerne Schilder mit historischen Namen Bömighausens. Die anderen Gäste hielten Kerzen in der Hand. Doch sie waren nicht allein.

Unterhalb der bunt illuminierten „Baumschule" wärmen sich Räuber an Feuertonnen. „Heute wird niemand ausgeraubt", befahl der Nachtwächter. Und zum Jubiläum sollten sie nicht darben: „Seid friedlich und kommt mit zur Halle", rief ihnen „Hermanicus" zu, „dort könnt ihr essen und trinken, und ihr habt es warm."
Auch dem Hühnerdieb versicherte der Nachtwächter: „Wir wollen Gnade vor Recht ergehen lassen, heute soll niemand hungern.

Los, gesell' dich zu uns."
Zwei edel gekleidete Reiterinnen auf dem Weg „zu den Herren von Rhene" bekamen ebenfalls eine Einladung zum Fest. Auch die Bäuerinnen Lisa Kellert und Mariechen Knippschild, Wanderreiterinnen sowie der Leseholz-Sammler Peter mit seinem Wägelchen waren zur Feier willkommen. Der Rhenaer Musikverein spielte an allen Stationen auf. Begonnen hatte die Feier mit einem Gottesdienst an der Friedhofskapelle, den Pfarrer Kai Uwe Schröter mit Carolin Schulze, Nina Bielau, Carola Koch und Silvia Pöttner vom Kirchenvorstand hielt. Danach enthüllten Bürgermeister Thomas Trachte und Dirk Wilke am Ehrenmahl eine Friedensskulptur, der Bericht folgt.

Heitere Episoden

Es sollte ein „etwas anderer Kommersabend“ werden, kündigte Moderatorin Marina Kieweg an, nicht steif, sondern locker und unterhaltsam. Kieweg als Landfrau und Detlef Ückert als Dorfpolizist führten im Dorfgemeinschaftshaus durchs Programm und stellten heiter plaudernd Besonderheiten des Jubiläumsdorfes vor.
„upp Platt“ erzählte Frieder Koch, warum die Bömighäuser – „die Vordenker des Uplands“ – den Spottnamen „Dräumekäuze“ erhalten haben. Laschsalven erntete er bei seinen Erzählungen über Erlebnisse in seiner Kinderzeit. So gab es eine provisorische Sprungschanze – der Dorfrekord lag bei 24 Metern.

Marichen Knippschild stürmte im Kittel in den Saal sie suchte ihren Mann: „Die Kuh kalbt!“  
Ob nicht der Dorfpolizist helfen könne?
Ückert: „Nee, ich kann nur Pferde.“ Auch das Schützenkönigspaar trat auf. Mario Koch warb fürs Schützenwesen, seine aus dem Edertal stammende Königin Ines lobte die „gute Gemeinschaft“ in Bömighausen.
Lukas Trachte und Basti Koch stellten dar, welche alten Bräuche die Dorfjugend lebendig hält – vom Osterfeuer übers Kartoffelbraten bis zum „Neujahrsschießen“.
Der Rhenaer Musikverein unter der Leitung von Jürgen Klingelhöfer spielte zwischen den Beiträgen auf. Mit Musik und hochprozentigem „Bömighäuser Seewasser“ feierten die Gäste nach dem offiziellen Teil bei guter Laune weiter. Gestern versammelten sich die „Jubilare“ zu einem gemeinsamen Frühstück. (-sg-)

„Dorfgemeinschaft ist stark"

Die Ehrengäste hielten beim Kommersabend kurze Ansprachen. Moderatorin Marina Kieweg gab ihnen jeweils Stichworte vor.
„Die Dorfgemeinschaft ist stark", stellte Ortsvorsteherin Wilma Saure fest. Vier Generationen lebten zusammen, und es gebe viele Clubs und Vereine – die 250 bis 280 Einwohner könnten stolz sein, auf so vielen Ebenen etwas zu bieten. Sogar Engländer, Niederländer, Weißrussen und Russen, Polen und ein Inder lebten heute im Dorf.

Sie alle seien an die Neerdar gezogen. „Wir leben gern in Gemeinschaft. Und das ist gut so." Dr. Walter Lübcke schwärmte: „Ich bin seit acht Jahren Regierungspräsident, aber so, wie Sie das Dorf geschmückt, wie Sie es ins rechte Licht gerückt haben – das habe ich noch nicht erlebt.

Ganz toll, was Sie da gemacht haben!" Die 750-Jahr-Feier sei eine gute Gelegenheit, um für die kommunale Selbstverwaltung zu werben und den ehrenamtlich Aktiven zu danken. Deshalb überreichte er die vom hessischen Innenminister verliehene Freiherr-vom-Stein Plakette an die Gemeinde Willingen. Bürgermeister Thomas Trachte reichte sie gleich weiter an die Ortsvorsteherin.
„Bömighausen hat Geschichte und Zukunft", sagte Thomas Trachte, „als Bürgermeister bin ich gern hier." Als Upländer liebe er seine Heimat, jeder der neun Ortsteile Willingens habe etwas Besonderes. Trachte lobte die Bömighäuser Gemeinschaft, das Dorf liege zudem landschaftlich schön. Er erinnerte an die Erfolge der inzwischen abgeschlossenen Dorferneuerung.

Heimat in Bömighausen

„Heimat ist da, wo mein Elternhaus steht, aber Heimat ist auch da, wo man ankommt und angenommen wird", sagte Landrat Dr. Reinhard Kubat.
Wichtig sei, sich einander zu zuwenden. Die Bömighäuser hätten ihr Jubiläum „mit Begeisterung und Freude angenommen". Dass die Kinder die Schilder mit den historischen Dorfnamen getragen hätten, bleibe ihnen unvergesslich.
Auch sie sagten später in der Erinnerung ans Fest: „Das ist meine Heimat." Sie seien „stolz auf das Dorf, dass so vortrefflich daherkommt." Kubat: „Bömighausen soll leben, und die Leute sollen sich wohlfühlen."
Für die Bömighäuser Vereine sprach der Vorsitzende des 50 Jahre alten Reit- und Fahrvereins, Dirk Pöttner. „Toleranz, Teamgeist und Offenheit fallen mir zur Dorfgemeinschaft ein", betonte er. Es gebe viel Aktivität im Dorf – ob bei der Feuerwehr, im Verkehrsverein oder in seinem Verein. Die Schützen seien „das Zugpferd im Dorf". Aber es gebe auch den Seniorenclub, die Angler, die Gymnastikfrauen, die Kegler und Darter oder den „Stickeclub". Unter den Gästen war auch der Landtagsabgeordnete Armin Schwarz. (-sg-)

Treffen der Ehemaligen

Die 750-Jahr-Feier am Samstag war auch für viele ehemalige Bömighäuser der Anlass, um ihr Heimatdorf und viele Freunde, Bekannte und Verwandte wiederzusehen. Die weiteste Anreise hätten Karin und Reiner Oberhaus aus Dänemark gehabt, berichtete Ortsvorsteherin Wilma Saure beim Kommersabend. Martina Koch sei aus der Schweiz gekommen zur Freude ihrer Eltern. (-sg-)

Gesagt.....

„Frauen in der Politik – da freuen wir uns, da flutscht es!"
Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke zu Ortsvorsteherin Wilma Saure.

„Das ist eine große Auszeichnung, auf die wir stolz sein können."
Der Willinger Bürgermeister Thomas Trachte über die Verleihung der Freiherr-vom-Stein-Plakette an die Gemeinde.

Keine Angst vor der Zukunft

Erst seit Mai ist Ortsvorsteherin Wilma Saure im Amt, ihr Vorgänger Detlef Ückert übertrug ihr gleich eine Herkules-Aufgabe: die Organisation der 750-Jahr-Feier.
„Die Vorbereitungen haben gezeigt, wie viele nette Bürger wir im Ort haben", rief sie beim Kommersabend, dieser Gemeinschaftsgeist „hat uns alle überrascht".
Von niemanden habe sie bei Anfragen ein „Nein" gehört, sagte sie der WLZ, alle hätten mitgezogen.
Sie würdigte am Abend die in historische Gewänder gekleideten Akteure des Dorfrundgangs um Nachtwächter„ Henricus", aber auch das „Heißgetränketeam", das die Gäste an den Stationen im Dorf mit Glühwein und Alkoholfreiem bediente, das Thekenteam, das im Saal für den stetigen Nachschub an Getränken sorgte, das „Wurstebrotteam", das alle Tische mit belegten Broten ausgestattet hatte.
„Vor der Zukunft braucht sich unser kleiner Ort nicht zu fürchten", sagte Saure. „Die Jugend ist integriert, und es macht Spaß zu sehen, wie aufgeschlossen und teambereit sich alle präsentieren. "Auch ihre Tochter, die Moderatorin Marina Kieweg, war zum Schluss des offiziellen Programms begeistert, sie erklärte: „Danke an alle, die Bömighausen zu dem gemacht haben, was es ist." Die Feier „war ein tolles Erlebnis", fügte ihre Mutter hinzu: „Wir alle sind Bömighäuser, so wie wir sind – und so soll es auch bleiben." (-sg-) ©WLZ